Digitale Helfer erobern den Alltag
Ich mag Trends, weil sie immer irgendwie wahr sind. Und das auch auf deren Gegenteil zutrifft: Trends verlaufen in Wellen und Schleifen, Trends erschaffen wiederum Gegentrends: Fast Food bringt Slow Food hervor, geplante Obsoleszenz stärkt den Wunsch zu Nachhaltigkeit … What goes around comes around.
Digitale Transformation und Globalisierung schreiten natürlich auch 2018 weiter voran. Das Gute daran ist, dass viele der Errungenschaften der Digitalisierung jetzt alltagstauglich werden.
Das Internet der Dinge (IoT) wird nicht nur zunehmend Mainstream, sondern hat schon mächtig Rückenwind. Mit geplanten Investitionen von mehr als fünf Billionen US-Dollar weltweit in den nächsten fünf Jahren (laut BI Intelligence) wird das Internet der Dinge einen Siegeszug rund um den Globus antreten, in immer mehr Lebensbereiche vordringen und diese mit vernetzten Sensoren verbinden: Intelligente Städte stehen an Nummer eins, dicht gefolgt vom Industriellen Internet der Dinge (IIoT) und dem Thema vernetzte Gesundheit:
- Ampeln richten sich jetzt schon nach ankommenden Bussen und Bahnen und beschleunigen so den öffentlichen Personennahverkehr, Sensoren im Asphalt informieren über freie Parkplätze.
- Digitale Fertigungsanlagen erhalten einen digitalen Zwilling, der Auskunft über den Wartungsstand gibt und vorbeugende Wartung ermöglicht, um so kostenintensive Wartungsausfälle zu verhindern.
- Mit Rechner, Kamera und Sensoren ausgestattete Pflegeheime erlauben es dem Personal, eine Visite auch digital durchzuführen, Smartphone-Apps wie ottonova (www.ottonova.de) oder Ada Digital Health (www.ada.com) ersetzen schon heute in vielen Fällen den realen Arztbesuch.
AIs are in da house
Im Bereich Smart Home halten digitale Assistenten Einzug, die dafür sorgen, dass die Heizung und das Licht auf uns hören.
Seit dem Weihnachtsverkauf 2017 hat wohl jeder mitbekommen, dass Google Home und Alexa auf Amazons Echo in die eigenen vier Wände vordringen. Zudem werden immer mehr Lautsprecher führender Hersteller mit angebundenem digitalen Assistenten ausgeliefert.
Diese digitalen Assistenten sind mittlerweile gut genug, dass man auch im Alltag von den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz profitieren kann – und auch noch deren Grenzen erlebt.
Spannend ist hier, dass sich das Benehmen der Assistenten schon jetzt stark an den Nutzern ausrichtet: Während man zum Markteintritt in Deutschland mit Alexa im Befehlston reden musste, versteht Amazons Assistentin nun auch „bitte“ und „danke“ und reagiert dementsprechend positiv darauf. Zudem hat sich Alexa mittlerweile als Feministin geoutet.
Jedoch ist noch offen, wer letztendlich das Rennen machen wird: Amazons Alexa scheint von der Verständlichkeit und der natürlichen Anmutung her vorne zu liegen, aber Google holt kräftig auf. Nur Apples Siri gerät hier noch vermeintlich etwas ins Hintertreffen. Egal, für welches digitale Ökosystem man sich entscheidet, eines ist sicher: Ab diesem Jahr ziehen die AIs ins traute Heim ein.
Zwei weitere Nebentrends sind im IoT-Umfeld noch zu beachten: Mehr Rechenleistung wird an der Peripherie, also vor Ort, auftreten, da die angeschlossenen, mit Sensoren ausgestatteten Geräte auch immer leistungsfähiger werden. Dieses sogenannte „Edge Computing“ sorgt dafür, dass die Verarbeitung der Daten nicht erst in der Cloud, sondern sehr effizient lokal erfolgen kann. Kurzum: Nicht alles wandert in die Cloud ab, aber in vielen Fällen erlaubt die Cloud die langfristige Steuerung und Koordination der Geräte vor Ort, die wiederum untereinander über einen Hub, einen Knoten oder eine Bridge vernetzt sind.
Ambilight war gestern
Worauf ich gespannt bin: die angekündigte Entertainment-Funktion für die Philips Hue Lampen. Die Beleuchtung im Wohnzimmer wird von einem Skript gesteuert, das von einem Videospiel, einer Fernsehserie oder einem Kinofilm geliefert wird: Bei Explosionen blitzt das ganze Wohnzimmer auf, bei spannenden Szenen flackert das Licht gespenstisch und in ruhigen Sequenzen durchflutet ein warmes Leuchten den Raum. So spart man sich auf jeden Fall die Kosten für einen Fernseher mit Ambilight-Funktion.
Low-Code-Plattformen: Programmieren für Nichtprogrammierer
Zurück zum Thema Vernetzung: Es entstehen immer mehr Dienste, die es uns leicht machen, Dinge ohne großen Lernaufwand selbst zu erledigen. Low-Code-Plattformen wie IFTTT (If This Then That) erlauben es, komplexe Sachverhalte auf einfache Wenn-dann-Abfolgen zu reduzieren. Und schon für Achtklässler gibt es Programmierplattformen, mit denen Kids ihre Calliope-Mini-Platine programmieren können (calliope.cc), gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Digitale Services verbreiten sich weiter
Je mehr Geräte und Plattformen bei uns Einzug halten, desto stärker wird auch der Markt für „X as a service“. Ob Software, Plattform oder Infrastruktur, die als Dienst bereitgestellt wird, je einfacher, mobiler, alltäglicher wir darauf zugreifen können, desto mehr Potenzial bietet sich hier. Am deutlichsten wird diese Entwicklung bei CDs, DVDs, Blu-Rays. Selbst illegale Streaming-Dienste erleben harte Konkurrenz durch Amazon Prime Video, Netflix und Apple TV. Bedienfreundlichkeit und sofortiger Zugriff bleiben einfach überzeugende Argumente.
Was den Musikmarkt grundlegend verändert hat, beginnt nun den Computerspielmarkt umzuwälzen: Während Sonys Spiele-Streaming-Dienst PlayStation Now noch ein Schattendasein führt, setzt Microsoft zur Revolution an: Alle neuen Spiele des Unternehmens werden in Zukunft im hauseigenen Streaming-Dienst Xbox Game Pass gleich nach Veröffentlichung zur Verfügung stehen – eine Entscheidung, die manche Händler dazu gebracht hat, den Kauf der Xbox zu boykottieren, da sie fürchten, keine Spiele mehr verkaufen zu können.
Ray Sono empfiehlt: Einfach mal ausprobieren.
- Google Home kann man auch auf dem Handy ausprobieren. Alexa ebenfalls.
- Wer Kinder hat und ihnen das Programmieren beibringen möchte, kann mit Calliope Mini oder Lego Mindstorms einiges ausprobieren.
- Besucht eine Maker-Messe wie die Make Munich oder stattet dem nächsten Maker Lab mal einen Besuch ab.
Customer Experience: Design meets Performance
Ob nun CX, XD, UX, IA oder User-Centered Design: Der Kunde wird immer mehr zum Maß aller Dinge. Das liegt auch daran, dass gute UX mittlerweile einfach zu einem Standard geworden ist, an dem man nicht mehr vorbeikommt. Aber ein tolles Design allein reicht nicht, denn auch die Performance muss stimmen. Bei Ray Sono versuchen wir, Dienste vom Ende her zu denken: Wer möchte denn was genau erreichen, und was muss man tun, damit der Anwender bei der Bedienung ein echtes Wow-Gefühl erlebt?
Living for the Micro-Moment …
Hierbei zählt immer der (Micro)-Moment: Wenn ich jetzt, genau in diesem Augenblick, etwas brauche, möchte ich sofort mit einer Berührung darauf zugreifen können – und genau das finden, sehen und erfahren, was mir jetzt am meisten hilft: Mit dem Smartphone ist die ganze Welt immer nur eine Berührung weit entfernt – und das zu jeder Zeit. Dieser Anspruch hält Einzug ins Marketing: Marken müssen im Moment leben („right-now“ brands), um die spontanen Wünsche ihrer Kunden erfüllen zu können („right-now“ customers). Amazon mit seiner Same-Day-Lieferung ist hier beispielgebend. Für Marken bedeutet dies: Nur wer eine positive Produkterfahrung durchgängig und möglichst in allen Fällen bieten kann, wird sich im Wettbewerb behaupten.
Globale Zahlungsanbieter gewinnen an Bedeutung
Immer mehr Dienste wie Spotify und Netflix visieren ein internationales Publikum an und positionieren sich als Global Player. Aber tolle Dienste wollen auch bezahlt werden: Deshalb etablieren sich Fintech-Player wie Adyen (Surinam für „Noch einmal ganz von vorn“) als All-in-one-Payment-Anbieter, die möglichst viele unterschiedliche Bezahlmöglichkeiten auf einer Plattform anbieten. Im Gegensatz zu PayPal, das auf bestehende Zahlungsmöglichkeiten aufsetzt, wollen diese Anbieter eine unabhängige Gesamtlösung bieten. In Zukunft werden wohl Kreditkarten und PayPal als globale Zahlungsanbieter ernste Konkurrenz durch diese Unternehmen erhalten.
Omni-Channel goes analog: Webrooming vs. Showrooming
Online-Shops wurden lange Zeit als die große Bedrohung für lokale Geschäfte gesehen. Oft informierten sich Kunden in einem Geschäft vor Ort, kauften dann aber doch online (Showrooming). Aber in vielen Fällen hat sich das genau entgegengesetzte Verhalten durchgesetzt: Kunden informieren sich online, gekauft wird dann aber im Laden vor Ort (Webrooming).
Die Gründe liegen auf der Hand: Vor Ort entfallen die Versandkosten, man erhält sein Produkt sofort und ist nicht der Gnade der Logistikdienste wie DHL, DPD und Hermes ausgeliefert. Und nicht zuletzt kann man das Produkt anfassen und ausprobieren und wird kompetent beraten.
Kurz gesagt: Omni-Channel umfasst mittlerweile auch die analoge Welt.
Ray Sono empfiehlt:
- An Personas und Customer Journey führt kein Weg mehr vorbei. Findet heraus, was die Kunden wirklich wollen und brauchen, erst dann stellt sich die Frage, was ihr dafür tun müsst.
- Messen, messen, messen. Seid Data-driven und unterlegt eure Pläne mit empirischen Daten.
- Denkt über das Digitale hinaus: Eure Kunden sind wirkliche Menschen mit wirklichen Bedürfnissen in der wirklichen Welt. Schafft wirkliche Werte, nicht nur schöne Oberflächen!
Digitale Transformation: Am Menschen gemessen
Auch die digitale Transformation geht in die nächste Runde: Es bleibt spannend mit großen Herausforderungen, aber es zeigt sich auch, dass hier neue Kennzahlen gelten: Digitale Transformation ist mittlerweile ein starkes Argument für das Employer Branding: Millennials und High Potentials wollen bei der Jobsuche sehen, dass sich die Unternehmen genauso wie sie anstrengen, am Puls der Zeit zu bleiben.
Zeitgleich nimmt die Zahl und die Qualität der Remote-Arbeitsplätze zu. Das Arbeitsleben wird flexibler, und es zeigt sich – ausgelöst durch agile Arbeitsmethoden und den Trend zur Selbstorganisation (von der Schwarmorganisation bis hin zu hierarchiearmen Systemen wie der Holokratie) –, dass kompetente Mitarbeiter meist am besten wissen, wie sie am leistungsfähigsten arbeiten. Und je besser die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, desto höher die Nutzung und desto besser das Ergebnis.
Unternehmen sind gut beraten, beim Entwurf des digitalen Arbeitsplatzes oder des agilen Projektablaufs die Personalentwicklung mitzudenken. Denkt von den Mitarbeitern aus und sorgt dafür, dass diese eine gute Arbeit machen können. Denn die Gesamtheit der Mitarbeiter – und deren Einstellung und Leistungsvermögen – ist das eigentliche Produkt, das hinter dem Employer Brand steht. Und das ist, was zählt.
Was wir von Produkten erwarten …
Nachhaltigkeit bleibt gefragt: Wir wollen zwar tolle Produkte, diese müssen aber reparabel sowie langfristig und mit gutem Gewissen nutzbar sein. In Washington ist ein Gesetzesentwurf eingereicht worden, der fordert, dass ab 2019 keine Geräte mit einem schwer oder nicht austauschbarem Akku verkauft werden dürfen.
Das ist nur ein Beispiel für Kreislaufwirtschaft (circular economy): Im Idealfall möchten wir, dass alle Rohstoffe, die für ein Produkt verwendet wurden, auch wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden.
Und auch im digitalen Bereich wird mehr Verantwortung gefordert. Die neue EU-Datenschutzregel-Grundverordnung, die Ende Mai in Kraft tritt, gibt jedem EU-Bürger das Recht zu erfahren, was ein Unternehmen über ihn weiß und zu welchen Zwecken es diese persönlichen Daten nutzt. Das stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, aber das Richtige ist nun mal nicht immer leicht zu erreichen.
Neue Dienste und Produkte bleiben willkommen, vorausgesetzt, sie sind gute Teamplayer und benehmen sich ordentlich und anständig. Und das gilt analog wie digital. Bietet uns Nützliches, schont die Umwelt, geht verantwortungsvoll mit unseren Daten um.
Denn: What goes around comes around.
Ray Sono empfiehlt:
- Stellt den Menschen in den Mittelpunkt der digitalen Transformation. Nehmt euren Mitarbeitern die Angst und die Unsicherheit, die den digitalen Wandel begleiten.
- Probiert neue Arbeitsstrukturen pragmatisch im Kleinen aus, auf Projekt- oder auf Team-Ebene. Nutzt agile Formate wie Retrospektiven oder Design Sprints.
- Geht verantwortungsvoll mit Ressourcen und Daten um. Seid mutig und konzentriert euch erst mal auf das Essenzielle. Und macht das dann richtig gut.
Der nächste Schritt in der Digitalisierung heißt: ‚Zurück in die analoge Welt.‘ Digitale Dienste ziehen ins eigene Heim ein, mein Smartphone, meine Anlage, meine Heizung und die Wohnzimmerbeleuchtung gehorchen mir aufs Wort. Das Digitale nicht nur erfahrbar, sondern auch erfassbar zu machen, darin liegt die Herausforderung heute.
Tim Struck